Kapuzenzeisig

ein Zustandsbericht nach fast 100 Jahren der Zucht
Spinus cucullatus (Swainson, 1820) - engl.: Red Siskin

Geschrieben von Hans Classen

 

Einleitung
Der Kapuzenzeisig wird bereits seit so vielen Jahren in Menschenobhut gehalten, daß es nicht mehr möglich ist, den Beginn der systematischen Reinzucht zu datieren. Aus den diversen Literaturstellen weiß man, daß er bereits zu Anfang des Jahrhunderts für die Mischlingszucht mit dem Kanarienvogel verwendet wurde und letztlich dazu beitrug, daß es rotgrundige Kanarien gibt. Bereits Ruß (1901) und Neunzig (1921) erwähnen die mehrfach gelungene, problemlose Zucht.

 

Freileben

Der Kapuzenzeisig ist in Nordost-Columbien und Nord-Venezuela am Rande des halbfeuchten Waldes in Höhen zwischen 300-1200 m anzutreffen. Meist hält er sich im kleinen Schwarm auf und zieht außerhalb der Brutzeit im offenen, baumbestandenen Grasland umher. Das einstmals zusammenhängende Verbreitungsgebiet ist in mehrere kleinere Bereiche zergliedert, die allesamt nicht mehr untereinander verbunden sind. Durch die Zerstörung des natürlichen Lebensraumes ist außerdem die Anzahl der freilebenden Individuen auf ca. 600 Exemplare (Kevin Gorman, auf der letztjährigen ICC-Schau während eines Vortrags mdl.) zurückgefallen. Daher ist der Kapuzenzeisig sowohl in seiner Heimat als auch durch das Washingtoner Artenschutz-Abkommen über den Anhang I streng geschützt.

 

Die Situation in den Züchterstuben

Nach vorsichtigen Schätzungen liegt die Anzahl der alleine in Deutschland gehaltenen Kapuzenzeisige bei ca. 1500 Paaren. Dies ist etwa das Fünffache der freilebenden Population. Auch in anderen Ländern ist die Anzahl der in Menschenobhut gehaltenen Exemplare höher als die Freilebenden. Aus diesem Grund haben sich die Züchter der AFA (Amerikanische Vogelzüchter-Vereinigung) zum "Red Siskin Projekt" zusammengeschlossen, um eventuell eine größere Anzahl für die Ausbürgerung im Heimatland vorzubereiten.

Leider ist aber die Situation in Deutschland so verfahren, daß wir momentan nicht sicher bestimmen können, ob unsere hiesigen Vögel geeignet sind. Der Grund: bereits in den siebziger Jahren wurde versucht, den Kapuzenzeisig "hart" zu machen, indem man ihn mit dem Magellanzeisig kreuzte und hoffte, hiermit die Unempfindlichkeit des Magellanzeisigs auf den Kapuzenzeisig zu übertragen. Leider übertrug man einige andere Eigenschaften auf die Kapuzenzeisige und zerstörte auch die Reinerbigkeit. Das traurige Ergebnis ist, daß eine Vielzahl von Tieren deutlich die Mangellanzeisiglinie (s. Abb. 1 + 2) erkennen läßt. Nach vorsichtigen Schätzungen sind etwa die Hälfte der in Deutschland gezüchteten Kapuzenzeisige nicht mehr artenrein. wie aus den auf Ausstellungen gezeigten Tieren geschlossen werden kann.

Wie wir aus diesem Unfug wieder herauskommen, wird von vielen als besonders schwierig, wenn Oberhaupt möglich, angesehen. Ich denke aber, daß es mehrere Wege gibt, wieder zu reinen Kapuzenzeisigstämmen zu kommen. Die Frage heißt nun, wie man solche Vermischungsergebnisse optisch erkennen kann.

 

Hierzu meine ich, können folgende Kriterien beitragen:

  1. Kapuzenzeisige, die bei reiner Grünfütterung nicht wenigstens orangerot werden oder die gar gelbliche Federn zeigen, lassen sehr stark auf Magellanzeisigabstammung schließen.
  2. Vögel, deren Rücken stark grün gezeichnet ist, jede einzelne Feder mit schwarzer Schuppung, sind mischlingsverdächtig.
  3. Der originale Kapuzenzeisig ist ein kleiner, zierlicher Vogel. Die Produkte aus der Artenvermischung dagegen haben die Größe der mittleren Magellanzeisigunterarten, sind also wesentlich größer und kompakter als die reinen Kapuzenzeisige.
  4. Das gesamte Verhalten einschließlich der Balz ist deutlich zu unterscheiden. Der Kapuzenzeisig stellt öfter sein Kopfgefieder hoch, wie man es in besonders starker Ausprägung beim Schwarzbrustzeisig kennt.

 Die absolute Gewißheit kann allerdings nur der sogenannte "DNA-Fingerprint" bringen. Sollten wir in den nächsten Jahren mit unseren Bemühungen zur Säuberung der Kapuzenzeisig-Zuchtstämme mit den optischen Merkmalen weiterkommen, so wird die chemische Untersuchung ein weiterer Schritt sein.

 

Haltung

Die Haltung des Kapuzenzeisigs macht wenig Schwierigkeiten, wenn man die Herkunft berücksichtigt. Er gehört zu den besonders wärmeliebenden Arten. Die Temperatur sollte nicht auf längere Zeit unter 18 °C fallen. Dennoch kann man die Kapuzenzeisige außerhalb der Brutzeit in den Außenvolieren unterbringen. Beim ersten Nachtfrost aber sollte man die Tiere in die Innenräume holen und wärmer setzen.

Der Platzanspruch für den Kapuzenzeisig ist nicht sehr groß. Auch mehrere Tiere können außerhalb der Brutzeit im geräumigen Flugkäfig ab einer Größe von 100 x 50 x 60 cm untergebracht werden. Besser ist natürlich die Unterbringung in Volieren ab 2 x 1 m Grundfläche, da hier die Flugmuskeln besser trainiert werden können.

Ein wichtiger Faktor ist die Tageslichtlänge. Sie soll im Winter bei etwa 10 Stunden liegen und kann mit Kunstlicht verlängert werden.

 

Zucht

Wie in der Einleitung erwähnt, werden Kapuzenzeisige bereits seit dem Anfang des Jahrhunderts gezüchtet. Heute wird der Kapuzenzeisig überwiegend in Boxen gezüchtet, die eine Größe von 60 x 40 x 50 cm und mehr haben. Als Nestunterlage wird fast alles genommen, ein einfaches Draht- oder Bastkörbchen genauso wie ein Draht- oder Holzkaisernest oder gar ein Sabel'scher Nistklotz. Die Akzeptanz wird allerdings durch die Ausschmückung mit Koniferenzweigen erhöht. Ich bevorzuge Kiefernzweige, da sie länger grün bleiben und auch ihre Nadeln länger halten als Fichtenzweige.

In diese Nestunterlage baut das Weibchen das Nest aus kleinen Pflanzenteilen, Kokosfaser und Scharpie. Die 3 bis 5 Eier werden im Tagesabstand gelegt und 13 Tage bebrütet.

Zur Brutzeit wird der Kapuzenzeisig von einigen Züchtern bei bis zu 28 °C gehalten, was aber nicht unbedingt vorteilhaft erscheint. Die normale Zuchttemperatur liegt bei den meisten Züchtern bei 22-24 °C und reicht m. E. vollkommen aus. Wichtig ist eine Tageslänge von ca. 14 Stunden, um die Tiere in Brutstimmung zu bekommen. Wenn zur Tageslicht-Verlängerung auch ein Aufwerten des Futters, speziell im Bereich der essentiellen Aminosäuren, erfolgt, schreitet der Kapuzenzeisig sehr willig zur Brut.

 

Fütterung

In den Anfangsjahren der Haltung in Menschenobhut betrug das Lebensalter des Kauzenzeisigs oft nur 2-3 Jahre. Der Grund liegt in der sicherlich falschen Ernährung, Sie zum überwiegenden Teil, bis nahezu 100 %, aus Negersaat bestand. Vor etwa 15 Jahren wurde die Ernährung vollkommen neu gestaltet. Ein gutes Kapuzenzeisig-Futter besteht aus den bekannten Kleinsämereien wie Perilla, weißer Salatsamen, Zichoriensamen, Erlensamen, Nachtkerze und viele andere mehr. Auch das im Handel erhältliche "Kapuzenzeisig-I-Futter" der Fa. Blattner ist eine langjährig erprobte Grundmischung. Ein wichtiger Bestandteil aller Futtermischungen ist das als "Girlitzgras" bezeichnete Knäuelgras, da es bei viel Beschäftigung nur wenig Inhaltsstoffe bietet. Mit diesem wesentlich fettärmeren und somit verträglichem Futter lebt ein Kapuzenzeisig heute zwei- bis dreimal länger und ist z. T. bis im Alter von 6 Jahren noch fruchtbar.

Zur Aufzucht benötigt der Kapuzenzeisig zusätzlich zu dem Sämereiengemisch auch tierische Nahrung, die entweder in Form von Ameisenpuppen oder von Aufzuchtfutter, angereichert mit den essentiellen Aminosäuren und den Mengen- und Spurenelementen geboten werden können. Ich bevorzuge eine Kombination aus beiden Formen, mein Aufzuchtfutter TopVit ist mit SUPRAMIN und BIO-MINERAL optimiert. In einem separaten Napf werden die Ameisenpuppen in Walderde gereicht. Dies bindet die Feuchtigkeit der tiefgefrorenen Ameisenpuppen und gewährleistet eine weitere Form der Mineralgaben. Schließlich nehmen unsere Tiere die so vermengten Ameisenpuppen wesentlich lieber auf. Als weitere Zugabe wird Keimfutter für Kanarien gefüttert. Im Gegensatz zur landläufig angewandten Methode ist die Herstellung unseres Keimfutters modifiziert, es ist nicht länger als 6 Stunden im Wasser, bei Verwendung des Keimautomaten sogar nur maximal 30 Minuten. Hierdurch wird das Keimgut nicht ersäuft, es kann atmen, eine wichtige Voraussetzung für ein geruchsfreies Keimfutter, das außerdem nicht durch Gärstoffe verdorben ist. Mit dieser beschriebenen Fütterung bringt die Zucht keine nennenswerten Schwierigkeiten.

Leider verliert der Kapuzenzeisig seine rote Gefiederfarbe. Sie besteht wie bei den meisten anderen Cardueliden aus Canthaxanthin, das wie alle Carotine nur von Pflanzen eigenständig gebildet werden kann. Der Vogel muß zumindest eine Form der Carotine aufnehmen, die er nur leicht umwandeln muß. Bei sehr guter Grünfütterung wird ein Großteil dieser Carotine aufgenommen. Wer aber je Bilder von freilebenden Kapuzenzeisigen oder Wildfänge sah, kennt den Unterschied dieser Wildlinge zu unseren hiesigen gehaltenen Kapuzenzeisigen. Das Rot der Wildlinge geht sehr stark auf kardinalrot zu. Diesen Farbton kann man hier selbst bei bester Carotinbeifütterung nie sehen. Mit Grünfütterung wird allenfalls orangerot erreicht.

Ein weiteres Merkmal, in dem der gezüchtete Kapuzenzeisig vielfach von seinem freilebenden Artgenossen unterscheidbar ist, betrifft die Farbe der Flügelspiegel. Sie ist bei unseren gezüchteten Vögeln viel zu hell und erreicht nie die natürliche Farbtiefe, wenn nicht mit Carotinen wie ß-Carotin und Canthaxanthin aufgewertet wird. Der Züchter braucht keine Angst zu haben, daß mit dieser Ergänzungsfütterung die "natürliche" Farbe überlagert wird, denn die bereits mehrfach erwähnten Mischlingsnachkommen erreichen selbst bei Canthaxanthinfütterung nur eine orangerote Grundfarbe.

Auf jeden Fall sieht ein gleichmäßig tief roter Kapuzenzeisig schöner aus und ist (s. o.) dem freilebenden Arten wesentlich ähnlicher als der nur orangerote Vogel.

 

Weitere Links

John Quatro, Der Kapuzenzeisige
 Jörg Nitschky, Der Kauzenzeisig